SINGLE RELEASE INFORMATION
Es ist nicht leicht
Wir alle wissen, dass Krankheit und Tod zum Leben dazugehören, wie Freude und Unbekümmertheit. Und es ist gut und richtig, dass wir uns nicht von der Angst lähmen lassen, dass irgendwas in unserem Leben schiefgehen könnte. Denn eins steht fest: Wann ein Ereignis unser Leben verändert und welches es genau ist, können wir nicht wissen.
Als ich im Frühsommer 2022 endgültig bemerkte, dass irgendwas mit meiner Mutter „nicht stimmt“, hatte ich die Monate zuvor viele einfache Erklärungen zugelassen. Vielleicht hört sie schlecht. Vielleicht ist sie einfach altersbedingt ein bisschen vergesslich. Dabei waren die Zeichen doch so eindeutig: Plötzlich erkannte sie meine Freunde nicht mehr, die sie zum Teil seit über 20 Jahren kannte.
Der Weg zum Neurologen gab uns eine Diagnose, die wohl kein Sohn auf der Welt wahrhaben will: Meine Mutter, die mich mit viel Geduld und Mühen großgezogen hat, die immer ein offenes Ohr für mich hatte, die mich so gut kannte wie vermutlich kein anderer Mensch auf der Welt und die auch dann zu mir gestanden hat, wenn ich im Leben wirklich mal so richtig falsch abgebogen war, hatte Alzheimer.
Diese Nachricht traf mich völlig unvorbereitet und hinterließ vor allem viele, viele Fragezeichen in meinem Kopf. Was passiert jetzt? Was kann ich tun? Wie kann ich für sie da sein? Und tief in mir drin gab es wohl einen völlig irrationalen Glauben, dass ich es schaffen kann, die Krankheit aufzuhalten, indem ich die zunehmenden Lücken in ihren Erinnerungen einfach auffülle. Ja, ich habe vielleicht wirklich gehofft, dass wir gemeinsam die Krankheit besiegen können.
Doch die nächsten Monate hatten eine grausame Antwort für mich vorbereitet. Alzheimer lässt sich nicht aufhalten. Und so viel man auch darüber liest und irgendwann zu wissen glaubt: Es kommt anders. Völlig anders. So wurde aus meiner liebevollen Mutter innerhalb von wenigen Wochen ein Mensch, der uns mit einer unerwarteten Bösartigkeit überrollte. Verständnis, Geduld und Liebe wurden gerade zu aufgefressen und machten uns zu hilflosen und verzweifelten Wesen.
Freunde unterstützten uns mit all ihrer Kraft. Ohne sie wären wir wahrscheinlich schon in den ersten Monaten gescheitert, denn die Krankheit schritt rasant voran. Als ich meine Mutter das erste Mal in die Gerontopsychiatrie brachte, weil ich ihre Sicherheit schlicht und einfach nicht mehr garantieren konnte, war ich voller Schuldgefühle. Welchen Stellenwert sie in meinem Leben hatte, wurde mir auf dem Rückweg bewusst. Den mein erster Gedanke war: „Ich muss Mama anrufen, das muss ich ihr unbedingt erzählen.“
Ich wusste, dass dies nie wieder geschehen würde. Mir war klar, dass ein langer Abschied begonnen hatte, aber ich hatte keine Ahnung, dass es mich in den kommenden zwei Jahren komplett aus meinem bisherigen Leben reißen würde. Zum Glück hatte ich keine Ahnung, was noch alles folgen sollte. So konnte ich ein Stück weit mit der Krankheit meiner Mutter wachsen. Und ich hoffe, dass ich ihr auch irgendwie helfen konnte. Dass sie mich noch gespürt hat.
Den Satz „sie merkt es ja selbst nicht mehr“ habe ich bis zum Schluss nicht wirklich akzeptiert. Ich habe immer gehofft, dass sie mich noch spürt. Und auch wenn es über Monate vielleicht nicht so gewesen sein mag: Ich bin sicher, dass sie in den letzten fünf Tagen am Sterbebett gespürt hat, dass dort jemand an ihrem Bett gesessen hat, der irgendwie wichtig sein muss. Auch wenn das Wissen darüber, dass sie Mutter und ich Sohn sind, vielleicht schon lange verloren gegangen war.
„Ich hoffe, du spürst noch, dass du dich auf mich verlassen kannst.“
Man hört immer wieder den Satz: Alzheimer ist eine Angehörigenkrankheit. Was erst mal so unfassbar falsch klingt - man ist schließlich selbst ja völlig gesund - ist leider wahr: Als Angehöriger versucht man alles, um dem geliebten Menschen das Leben mit der Krankheit so angenehm wie möglich zu machen. Und man muss damit leben, dass nichts zurückkommt. Wobei das nicht stimmt: Es kommt etwas zurück. Man kann es halt einfach immer häufiger nicht mehr einordnen.
Und so erschrickt man irgendwann nicht mehr nur vor dem, was mit dem geliebten Menschen geschieht, man erschrickt noch mehr vor den eigenen Gefühlen und der Heftigkeit, mit der sie einen durchschütteln: Liebe, Verzweiflung, Trauer, aber auch Wut reißen einen regelmäßig in den emotionalen Abgrund. Und man kann nichts dagegen tun, als immer wieder aus dem Loch zu klettern, sich wieder aufzurichten.
Doch eine Angst kann man nicht bewältigen: Wann kommt der Tag, an dem einen die eigene Mutter nicht mehr erkennt? Der einzige Weg für mich, das irgendwie zu verarbeiten, war, einen Song darüber zu schreiben. Und so schrieb ich „Es ist nicht leicht“ im Frühjahr 2023.
Weihnachten 2023 hat meine Mutter das erste Mal gedacht, ich sei mein 2017 verstorbener Vater - von dem sie sich 1974 scheiden ließ - und hat mich böse beschimpft. In den Folgemonaten verschwand sie jeden Tag ein bisschen mehr.
Am 12. Juni 2024 schloss sie für immer die Augen.
Ich bin dankbar, dass ich die letzten Tage bei ihr sein konnte, dass ich im Moment ihres letzten Atemzugs ihre Hand halten durfte. Doch so traurig ich auch war, ich will ehrlich sein: Ich war auch ein bisschen erleichtert, dass sie erlöst war. Gemeinsam feierten wir statt einer Trauerfeier in unserem Garten noch einmal ihr Leben. Erinnerten uns daran, wer sie war, bevor die Krankheit ihre Seele langsam aufgefressen hat. Ich begann diese „Lebensfeier“ mit „Es ist nicht leicht“. Danach packte ich den Song weg. Wie so vieles, was mich an die letzten 2 Jahre erinnerte.
Irgendwann wurde mir klar: Meine Mutter würde wollen, dass ich den Song veröffentliche. Denn wenn er nur einem Angehörigen eines Demenzkranken dabei hilft, die eigene schwere Zeit zu überstehen und seine widersprüchlichen Gefühle zu akzeptieren, dann hätte „Es ist nicht leicht“ seinen Zweck erfüllt. Und sie würde auch sagen: „Endlich singst du mal auf Deutsch!“
Dieses Lied ist dir gewidmet, Mama. Und es ist auch der Beweis dafür, dass du mir erfolgreich beigebracht hast, in schweren Zeiten einen Weg zu finden, nicht unterzugehen.
Am 12. Juni 2024 hast du diese Welt verlassen. In meiner Welt wirst du immer weiterleben.
„Es ist ok, wenn du jetzt gehst.“
Ich habe viele Menschen in meinem Leben, die auf mich aufpassen. Deswegen ist dieses Lied auch ein Dankeschön an alle, die mich begleitet haben, unterstützt haben, mir Kraft gegeben haben. Und es ist für alle, deren Angehörige an Demenz erkrankt sind oder waren.
„Es ist nicht leicht“
Aber es ist machbar.
Wir müssen einfach nur weiterhin an das Leben glauben. Denn das wird es immer geben.
Es geht nur einen Schritt weiter.
LYRICS
Es ist nicht leicht
Es ist so furchtbar kalt heut Nacht
Noch viel kälter als jede Nacht zuvor
Ich sitze am Fenster und schau zum Gartentor
Doch niemand kommt
Und niemand geht
Da ist nur der Wind
der das Gartentor bewegt
Mein Blick schweift durch den Raum
Ohne ein echtes Ziel
Lese die Titel alle Bücher im Regal
Damit ich mich nicht ganz verliere
All die Bilder von früher an der Wand
Bleib an einem von dir hängen
Nehme es in die Hand
Du bist nur noch ein Schatten
Von dem was du einmal warst
Bringst alles durcheinander
Und all Menschen für die du immer da warst
Sind wie Fremde für dich
Und ich ich frage mich:
Weißt du noch wer ich bin?
Ich frag´ mich jede Nacht:
Weißt du noch wer ich bin?
Du merkst es vermutlich nicht
Aber es ist nicht leicht dich zu verstehen
Es ist nicht leicht
Mit dir den ganzen Weg zu gehen
Du biegst manchmal ab
Drehst dich unvermittelt um
Doch weißt auch nicht warum
Du weißt auch nicht warum
In dir wohnt immer noch ein Feuer
Das brennt lichterloh
Manchmal wärmt es dich
Manchmal quält es dich
Und ich merke immer zu spät
Wenn dir die Kraft ausgeht
Und dann ist alles was du erzählst
So völlig verdreht
Ich hoffe du spürst noch
Dass du dich auf mich verlassen kannst
Dass ich meine Flügel ausspann
Um mit dir dahin zu fliegen wo alles begann
Doch wenn ich nachhause geh
Bleibt dein Schmerz in mir
Und dann fängt dieser schlechte Film
Erst richtig an
Wann wirst du ganz gehen
Wann wirst du mich nicht mehr sehen
Wann wirst du einfach weg sein
Obwohl ich dich noch vor mir seh
Ich habe Angst vor diesem Tag
Soviel Angst vor diesem Tag
Ich habe soviel Angst vor diesem Tag
Wann wirst du ganz gehen
Wann wirst du mich nicht mehr sehen
Ich rufe deinen Namen
Doch du kannst mich nicht verstehen
Ich weiß ja ich bin stark
Doch ich hab Angst vor diesem Tag
Ich habe soviel Angst vor diesem Tag
Wann wirst du ganz gehen
Wann wirst du mich nicht mehr sehen
Wann wirst du einfach weg sein
Obwohl ich dich noch vor mir seh
Ich habe Angst vor diesem Tag
Soviel Angst vor diesem Tag
Ich habe soviel Angst vor diesem Tag
Es ist nicht leicht dich so zu sehen
Es ist nicht leicht dich so zu sehen
Es ist nicht leicht dich so zu sehen
Es ist nicht leicht dich so zu sehen
Es ist ok, wenn du jetzt gehst.
(ROUGH) ENGLISH TRANSLATION
It's not easy
It's so terribly cold tonight
Even colder than every night before
I sit by the window and look out the garden gate
But no one comes
And no one goes
There's only the wind
that moves the garden gate
My gaze wanders through the room
Without a real goal
I read the titles of all the books on the shelf
So I don't get completely lost
All the pictures from the past on the wall
Stuck on one of you
Take it in my hand
You're just a shadow
Of what you once were
Mixing everything up
And all the people you were always there for
Are like strangers to you
And I ask myself:
Do you still know who I am?
I ask myself every night:
Do you still know who I am?
You probably don't realize it
But it's not easy to understand you
It's not easy
To go the whole way with you
You sometimes take a turn
Turn around suddenly
But you don't know why
You don't know why
There's still a fire inside you
That burns brightly
Sometimes it warms you
Sometimes it torments you
And I always notice too late
When you run out of strength
And then everything you say is so completely twisted
I hope you still feel
That you can rely on me
That I spread my wings
To fly with you to where it all began
But when I go home
Your pain stays inside me
And then this bad movie
Really begins
When will you go away completely?
When will you no longer see me?
When will you simply be gone?
Even though I can still see you?
I'm afraid of that day
So afraid of that day
I'm so afraid of that day
When will you go away completely?
When will you no longer see me?
I call your name
But you can't understand me
I know I'm strong
But I'm afraid of that day
I I'm so afraid of this day
When will you completely go away?
When will you no longer see me?
When will you simply be gone?
Even though I can still see you?
I'm afraid of this day.
So afraid of this day.
I'm so afraid of this day.
It's not easy to see you like this.
It's not easy to see you like this.
It's not easy to see you like this.
It's not easy to see you like this.
It's okay if you leave now.